„Was macht dich eigentlich glücklich, Barbara?“ Diese einfache Frage wurde mir an einem lauen Samstagabend gestellt, während wir unsere Getränke, die Musik und die Location genossen. Ich zögerte. Eine Antwort fiel mir nicht sofort ein: „Reisen macht mich glücklich“, sagte ich schließlich. Doch dann meldete sich mein Bauchgefühl – dieses innere Warnsystem, das oft zu wenig Beachtung bekommt. Es ließ mich spüren, dass ich nicht ganz ehrlich war. Also korrigierte ich mich: „Eigentlich ist es nicht das Reisen, was mich glücklich macht. Ich weiß es nicht genau.“
Ich legte eine kurze Pause ein und dachte nach: „Ich kann mich erinnern, als ich auf Sri Lanka war und mit dem Zug durch den Dschungel und die Reisfelder fuhr. Die Sonne schien und tauchte alles in ein goldenes Licht. Ich hatte einen Platz am offenen Fenster, lehnte mich entspannt zurück, und während der Fahrtwind meine Haare zerzauste, schaute ich mir alles genau an. Ich nahm die Geräusche der alten Diesellok wahr, sah die Menschen, die wie aus einer anderen Welt schienen, roch den Diesel und spürte den Schweiß auf meiner Haut. In diesem Moment saß ich einfach nur da und bemerkte, dass ich glücklich war.“ Meine Begleitung lächelte und sagte: „Das klingt wunderbar, Barbara.“ „Eine ähnliche Situation hatte ich auch in Thailand, als ich mit dem Boot von Insel zu Insel fuhr. Aber irgendwie fühlt sich ‚Reisen‘ nicht nach der richtigen Antwort an.“ Wir wechselten das Thema, aber die Frage nahm ich gedanklich mit nach Hause.
Die ganze Woche überlegte ich: Was macht mich glücklich? Warum hatte ich darauf keine klare Antwort? Kann ich überhaupt glücklich sein, ohne es genau zu wissen?
Ich ging im Kopf verschiedene Situationen durch, in denen ich Glück empfand: Ich bin glücklich, wenn meine Nichte auf meinen Schoß klettert und mir ihre Entdeckungen der großen Welt zeigt, während sie mit mir kuschelt und mir so viel Liebe schenkt. Ich bin glücklich, wenn ich gute Musik höre, wenn jemand für mich auf dem Klavier spielt, wenn ich ein tiefgehendes Gespräch führe oder auch, wenn ich bei einem Spaziergang die Blüte eines Lavendels pflücke, sie zwischen meinen Fingern zerreibe und den wunderbaren Duft genieße. Aber was ist der gemeinsame Nenner all dieser Situationen?
Ein wunderbares Zitat von Albert Einstein kam mir in den Sinn: „Es gibt zwei Arten, sein Leben zu leben: So, als wäre nichts ein Wunder, oder so, als wäre alles eins.“ Genau das ist der gemeinsame Nenner. Wie oft höre ich Musik? Fast stündlich. Wenn Musik mich glücklich macht und ich sie so oft höre, müsste ich doch ständig glücklich sein, oder? Nein, Musik macht mich nur dann glücklich, wenn ich die Zeit und die Muße habe, genau hinzuhören. Wenn ich wahrnehme, dass es Menschen gibt, die ihr Talent und Können mit mir teilen – Musiker und Komponisten, die jahrelang geübt haben, um mir diesen Moment zu ermöglichen. Wie oft gehe ich an Lavendel vorbei, ohne dass er mich glücklich macht? Ziemlich oft! Wieso macht mich eine Umarmung manchmal glücklich und manchmal nehme ich sie als selbstverständlich hin?
Ich bin nicht darauf trainiert, in jedem Moment das „Wunder“ zu erkennen und zu spüren. Ich bin nicht darauf trainiert, die Dankbarkeit zu empfinden, die man auch für die kleinen Dinge im Leben haben sollte. Trainiert? Kann man Glück trainieren? Ich glaube, man kann lernen, bestimmte Situationen als Wunder zu betrachten, sie nicht als selbstverständlich hinzunehmen und mit Dankbarkeit zu schätzen. Einen Moment bewusst mit allen fünf Sinnen wahrzunehmen, innezuhalten, ihn festzuhalten und sich klarzumachen, was alles nötig war, damit dieser Moment stattfinden konnte. Aber das liest man in jedem Achtsamkeitsbuch für Anfänger – es ist keine neue Erkenntnis.
Schauen wir uns das Thema Glück einmal objektiv an: Glück wird in der Wissenschaft durch das Zusammenspiel von "Nature" (Natur) und "Nurture" (Umwelt und Erziehung) erklärt. "Nature" bezieht sich auf genetische und biologische Einflüsse, die etwa 30-50 % des individuellen Glücksempfindens ausmachen. Dazu zählen erbliche Persönlichkeitsmerkmale sowie neurochemische Prozesse im Gehirn, wie etwa der Einfluss von Dopamin und Serotonin, den sogenannten „Glückshormonen“. "Nurture" beschreibt die Auswirkungen von Umwelteinflüssen, wie sozialen Beziehungen, Lebensumständen und kulturellen Werten, die ebenfalls stark prägend für das Wohlbefinden sind. Beide Faktoren – genetische Veranlagung und Umwelterfahrungen – wirken zusammen und beeinflussen sich gegenseitig, wodurch unser individuelles Glücksempfinden geformt wird.
Glück ist zudem ein komplexes Phänomen, das in kurzfristiges Vergnügen und langfristiges Wohlbefinden unterteilt wird. Kurzfristiges Glück entsteht durch positive Erlebnisse, während langfristiges Wohlbefinden mit Lebenssinn und Selbstverwirklichung verbunden ist. Verschiedene Faktoren wie innere Einstellungen, soziale Beziehungen, finanzielle Sicherheit und körperliche Gesundheit beeinflussen unser Glück. Wichtige Konzepte wie die hedonistische Anpassung (die schnelle Rückkehr zu einem stabilen Glücksniveau) und der Flow-Zustand (völlige Vertiefung in eine Tätigkeit) spielen dabei ebenfalls eine große Rolle. Dankbarkeit und kulturelle Unterschiede haben ebenfalls einen erheblichen Einfluss auf das individuelle Glücksempfinden.
Im Buddhismus heißt es, dass man Unglück erlebt haben muss, um wahres Glück zu empfinden. Was denkst du darüber? Glaubst du, man kann nur glücklich sein, wenn man weiß, wie es ist, unglücklich zu sein? Ich glaube, unser Glücksempfinden ist wie ein Barometer, das ständig hin- und herschwingt. Das ist ganz normal. Wenn es ständig im Bereich des „kein Glück“ verweilt, könnte das in Depressionen führen. Ist es nur im Bereich des „absoluten Glücks“, möchte ich gar nicht wissen, welche Drogen im Spiel waren. Auch der neutrale Bereich, der in der Mitte liegt, kann wunderbar und erholsam sein.
Wie du siehst, ist die Antwort auf die Frage „Was macht dich glücklich?“ extrem komplex, und ich glaube nicht, dass es die eine Antwort darauf gibt. Es sind immer verschiedene Faktoren im Spiel. Trotzdem ist es eine wunderbare und intime Frage, die man vielleicht in die nächste Unterhaltung mitnehmen sollte. Sie regt dazu an, innezuhalten, nachzudenken und sich an Momente zu erinnern, in denen man glücklich war. Wenn man dann dieses warme Gefühl im Bauch spürt und ein Lächeln über das Gesicht huscht, weiß man: Das Glücksbarometer hat gerade einen kleinen Ausschlag in Richtung Glück gemacht – und das ist ein wunderbares Gefühl.
Also fange ich jetzt mal an und frage dich: Was macht dich glücklich?
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